Antwort von Johannes Corrodi vom 14. September 2004

Lieber Herr Stutz

Lassen Sie mich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, eine Reaktion auf die Tätigkeit der VBG zu erhalten. Wie Sie vielleicht wissen, sind wir daran, das VBG-Institut auszubauen und bekannt zu machen, das die Integration von gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und theologisch-religiösen Fragen zum Zweck hat (www.vbgabendschule.ch).

Das ist gar nicht so einfach, denn es scheint, dass die nachstossende Generation von "frommen" Christen, zumindest in der Schweiz, im Zeitalter der Postmoderne beinahe jedes Interesse an einer wissenschaftlich und philosophisch disziplinierten Auseinandersetzung mit den "grossen" Frage des christlichen Glaubens verloren hat. Der freikirchlich-christliche wie allgemein-säkulare Anti-Intellektualismus fordert seinen Tribut. Das ist mir persönlich eine grosse Sorge. Wenn ich heute als bekennender Christ Philosophie an der Uni Zürich studieren würde, beides aus Leidenschaft, wäre ich noch einsamer als ich es dazumals war.

Umso mehr schmerzt es mich, Sie auf einer inhaltlichen Ebene enttäuschen zu müssen. Natürlich bin ich mit Ihnen einverstanden, dass die VBG die grösstmögliche Offenheit hinsichtlich aller theologisch, philosophisch und wissenschaftlich vertretbaren Positionen an den Tag legen sollten.

Aber genau hier ist mein Problem: Ich halte den Kurzzeitkreationismus, wie übrigens jede Form von modernem Kreationismus, für KEINE vertretbare Position, weder theologisch, philosophisch noch wissenschaftlich. Natürlich sage ich das nicht aus dem Bauch heraus, sondern als Resultat einer langjährigen, Studien- und Forschungstätigkeit im Gebiet der Religionsphilosophie, im In- und Ausland. Und natürlich bin ich weltweit auch nicht der einzige "orthodoxe" Christ und Forscher, der die leider immer noch andauernde Kreationismusdebatte seit ihren Ursprüngen im aufkommenden Modernismus des frühen 20. Jh. für ein abgründiges Missverständnis hält. Zur ausführlichen Begründung dieser Aussage erlaube ich mir einen Aufsatz von mir beizulegen.

Auf den Punkt gebracht ist meine Hauptschwierigkeit die: Wenn der (Kurz- oder Langzeit) Kreationismus sich als die bessere wissenschaftliche Hypothese versteht, unter welchen Umständen kann sie dann FALSIFIZIERT werden? Ich glaube, die einzig mögliche Antwort auf diese Frage ist die: Gar nicht. Es gibt keine denkbaren Umstände, unter denen Schöpfung wissenschaftlich widerlegt werden könnte. Das aber schliesst die biblische Lehre der göttlichen Schöpfung aus dem Nichts aus dem Kreis der wissenschaftlich vertretbaren Hypothesen aus. Damit muss man auch gar kein Problem haben, im Gegenteil, es sei denn, man geht mit der Aufklärungsphilosophie überein, dass allein wissenschaftliches Denken und Forschen einen wahren Zugang zur Wirklichkeit eröffnet. Nach reformatorischer wie altkirchlicher Auffassung, ist die Lehre der Schöpfung aber die reflexive Ausformulierung einer göttlichen OFFENBARUNG, die absoluten oder unbedingten Gehorsam fordert und keine Alternativen zulässt, (die nicht als Idolatrie bezeichnet werden müssten). Das unterscheidet "Schöpfung" von einer wissenschaftlichen Hypothese X, von der wir annehmen müssen, dass sie dereinst überholt sein wird. Noch mehr: gute Wissenschaft zeichnet sich gerade durch unser unaufhörliches Bemühen aus, die jeweils beste Theorie durch eine bessere zu ersetzen. Wenn man das auf den Glauben anwendet, ergeben sich absurde und blasphemische Konsequenzen zugleich: Welcher religiöse Glaube könnte der möglicherweise "bessere" sein als der Glaube an den Schöpfer? OHNE SCHÖPFER GIBT ES NACH CHRISTLICHEM VERSTÄNDNIS UEBERHAUPT KEINE WISSENSCHAFTLICHE THEORIE UND KEINEN RELIGIÖSEN GLAUBEN. Die absolute Bedingung der Möglichkeit aller Wirklichkeit kann nicht selbst Teil der kontingenten Wirklichkeit sein. Wie Herman Dooyeweerd sagt: Das Absolute gehört in die Religion. Es entzieht sich der wissenschaftlichen Theoriebildung, die IMMER NUR RELATIVE ANFÄNGE KENNT (oder zur Pseudo-wissenschaft und Ersatzreligion verkommt).

Die wohl populärste Reaktion, die man auf diese Sicht zu hören bekommt, ist die, man sei ein "Fideist" oder Irrationalist, der Glauben und Wissenschaft/Denken absolut von einander trennen möchten. Nun, in meinem Fall trifft dies bestimmt nicht zu (vgl. angefügtes Paper).

Das richtige Verhältnis von Glaube und Wissenschaft ist Thema des exzellenten Buches von Roy A. Clouser "The Myth of Religious Neutrality. An Essay on the Hidden Role of Religious Belief in Theories", Notre Dame 1991, an dessen Übersetzung ich derzeit arbeite und das wie kein zweites die unauflösliche Verbindung von religiösem Glauben und Wissenschaft herausarbeitet. Sehr empfehlenswert.

Obwohl ich also nicht der Mann für die Förderung der Anliegen des Kurzzeitkreationismus bin, grüsse ich Sie dennoch ganz herzlich.

In Christus verbunden J. Corrodi


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