GOTT GEGEN DARWIN

KANSAS ELIMINIERT EVOLUTION AUS DEN SCHULPRÜFUNGEN


"Gott gegen Darwin" schreibt die Sonntagszeitung vom 15. August 1999 zum Entscheid in Kansas (USA), die Evolutionstheorie fallen zu lassen. Am 12. August 1999 hat die Aufsichtskommission für die Schulen im Staate Kansas beschlossen, dass die Mittelschüler nicht mehr zur Evolutionslehre geprüft werden sollen. Die Kommission besteht aus 10 Mitgliedern, von denen 6 diesen Vorschlag befürworteten. Vorgängig hatte ein ausführlicher Disput stattgefunden.

Den Lehrern ist es freigestellt, Evolution trotzdem noch zu unterrichten, doch es gibt keine Prüfungen mehr darüber. Es gibt auch keine Verpflichtung, Schöpfung zu lehren.

Im Streit der letzten Jahre um Evolution oder Schöpfung an den Schulen ist Kansas nun am weitesten gegangen. Alabama, New Mexico und Nebraska haben die Vorherrschaft der Evolutionslehre zurückgenommen, indem Evolution nur als eine der möglichen Erklärungen für die Existenz des Lebens bezeichnet wird. Texas, Ohio, Washington, New Hampshire und Tennessee haben ähnliche Vorschläge abgelehnt, auch solche die verlangten, dass diejenigen, die Evolution lehren, auch Tatsachen erwähnen müssen, die der Evolutionslehre widersprechen.

Nachdem der oberste Gerichtshof vor mehr als 10 Jahren den Unterricht der Schöpfungslehre in den Schulen abgelehnt hat, wählten die Kreationisten eine andere Strategie, um die Vorherrschaft der Evolutionslehre zu brechen. Anstatt Schöpfungslehre vorzuschreiben, soll jetzt Evolution entweder ausgeschlossen oder als eine neben anderen Möglichkeiten gelehrt werden.

In einer Umfrage vom Juni 1999 haben sich 68% der Amerikaner dafür ausgesprochen, dass sowohl die Evolutionstheorie als auch die Schöpfungstheorie an den Schulen gelehrt werden sollte. Nach der Schiesserei in der Schule von Littleton, Colorado, Anfangs dieses Jahres hat der Abgeordnete Tom DeLay die Lehre der Evolution dafür verantwortlich gemacht. In einer Sitzung des Repräsentantenhauses sagte er: "Unser Schulsystem lehrt unsere Kinder, dass sie nichts anderes sind, als bessere Affen, die sich aus einer Ursuppe von Schlamm heraus entwickelt haben." Damit wird der Mensch zum Tier degradiert, das für sein Tun niemandem verantwortlich ist.

In der New York Times, vom 13. August 1999 schreibt Michael J. Behe, Biologie-Professor an der Lehigh University unter anderem dazu: "Die in den Schulbüchern angegebenen Beweise für die Evolutionstheorie sind meistens folgende:

Erstens: Die Einführung von Antibiotika hat dazu geführt, dass viele Bakterien resistent geworden sind, sodass sie heute ein Risiko für unsere Gesundheit bilden.

Zweitens: Die dunkel gefärbten Birkenspanner konnten den Vögeln, die sie fressen wollten, dank ihrer dunklen Farbe entgehen, wenn sie sich auf den dunkel gefärbten Baumstämmen aufhielten.

Drittens: Die Embryos von Fischen, Amphibien, Vögeln und Säugetieren sehen im Anfangsstadium ihrer Entwicklung praktisch gleich aus; erst später sind die Unterschiede sichtbar.

Dazu ist zu sagen, dass nur das erste Beispiel stimmt. Das zweite ist auf Grund des heutigen Wissensstandes nicht bewiesen, während das dritte völlig falsch ist. Wenn sich auch in England die Anzahl der hellen und dunklen Birkenspanner in einigen Regionen in der erwarteten Weise veränderten, so taten sie das anderswo nicht. In den Schulbüchern zeigen die Photos Birkenspanner, die sich auf Baumstämmen aufhalten, wo sie von den Vögeln angeblich tagsüber gefressen wurden. Dem stehen neue Beobachtungen gegenüber, nämlich dass die Falter nachts aktiv sind und sich normalerweise nicht auf Baumstämmen aufhalten.

Die Geschichte mit den Embryos ist eine Lektion davon, dass man das sieht, was man sehen will. Ende des neunzehnten Jahrhunderts hat der Deutsche Ernst Haeckel, ein Verehrer von Darwin, die ersten Zeichnungen von Embryos gemacht. In der Zwischenzeit hat offenbar niemand die Richtigkeit von Haeckel's Zeichnungen überprüft. Prominente Wissenschaftler erklärten in den Schulbüchern, dass die Evolutionstheorie durch die offensichtlichen Ähnlichkeiten der Wirbeltierembryos vorausgesagt, erklärt und bewiesen wird. Und das haben mehrere Generationen von amerikanischen Studenten gelernt.

Aber kürzlich machte sich ein internationales Team von Wissenschaftlern daran, die Zuverlässigkeit dieser Zeichnungen zu überprüfen. Sie fanden im Gegensatz zu Haeckel, dass sich die verschiedenen Embryos wesentlich voneinander unterscheiden. In der Zeitschrift Nature schreibt der Leiter dieser Forschergruppe, dass es so aussehe, als ob dies eine der berühmtesten Fälschungen in der Biologie sei. Abgesehen davon zeigen die frühesten Stadien der Embryos noch grössere Unterschiede als die späteren."

Die New York Times vom 15. August greift das Thema nochmals auf. George Johnson schreibt unter dem Titel: Fakten und Glaube geraten wegen Evolution aneinander:

"Weil Evolution tatsächlich eine Theorie ist und nicht eine Tatsache, kann sie Seite an Seite mit dem Kreationismus gelehrt werden... Als die Aufsichtsbehörde der Schulen von Kansas beschloss, das Lehren der Evolution nicht mehr zu verlangen und keine Prüfungsfragen mehr in diesem Gebiet zu stellen, tönte das vernünftig. Denn niemand war bei der Schöpfung dabei, und jede Idee, wie das Leben begonnen hat, ist bestenfalls informierte Spekulation. Mit den selben Argumenten hat man auch der Urknall, die Vision der Kosmologen, aus dem Lehrplan ausgeblendet.

Das bedeutet, dass den Studenten von Kansas nur noch das gelehrt wird, was sie direkt mit ihren Sinnen wahrnehmen können, oder was durch glaubwürdige Zeugen berichtet wird. Eine Ausnahme gibt es, nämlich alles, was ihnen ihre eigene Religion vorschreibt...

Wissenschaft besteht aus Theorien - versuchsweisen, veränderlichen Vorschlägen darüber, wie sich die Leute das Funktionieren der Welt vorstellen. Denn weil es nicht in Stein gehauene Ideen sind, können sie der Realität immer näher und näher kommen, oder für etwas besseres sogar fallen gelassen werden...

Das Problem ist, dass die dynamische Sicht der Wissenschaft im Schulzimmer nicht besser wahrgenommen wird. Um rasch vorwärts zu kommen werden Theorien als endgültig präsentiert. Man schenkt dem intellektuellen Kampf, der beim Interpretieren der Daten und der Überprüfung der Annahmen vor sich geht, keine Aufmerksamkeit. Diese sollten jedoch immer in Frage gestellt werden können. Es besteht sogar die erheiternde Möglichkeit, dass eine Theorie, die heute als felsenfest gilt, schon morgen verworfen werden muss.

Solange Wissenschaft präsentiert wird wie unumstössliche Weisheit, muss man sich nicht wundern, dass sie von einigen Gesetzgebern und Komissionsmitgliedern wie eine feindliche Religion betrachtet wird, und dass die Schöpfungswissenschaft als eine alternative wissenschaftliche Theorie angesehen wird. Sie werden durch eine neue Welle von Kreationisten und deren postmoderner Philosophie ermutigt: Der Kreationismus ist auf dem Glauben an einen fürsorgenden, allmächtigen, eingreifenden Schöpfer aufgebaut, der sein Werk vor tausenden von Jahren ausführte.

Evolution hat ihre eigenen Glaubenssätze. Der wichtigste davon ist, dass die Welt aus unsensibler Materie bestehe, die sich selbst während Äonen von Jahren entfaltete. Diese Äonen können nur aus indirekten Beobachtungen gefolgert werden. Man hat immer noch die Freiheit, an einen Gott zu glauben, aber er ist nicht ein notwendiger Teil der Rechnung. Ein weiterer Grundpfeiler der Wissenschaft ist die Doktrin der Uniformität, dass die physikalischen Gesetze in der Vergangenheit die selben gewesen seien wie heute...

Kann man sich vorstellen, dass es Beweise für die Wissenschaft gibt, die eine wesentlich jüngere Erde ergeben? Die Antwort ist ja. Es müssten aber sehr überzeugende Daten sein, die von vielen verschiedenen Richtungen kommen, denn die Mechanismen zur Messung geologischer Zeit sind nicht hieb und stichfest...

Eine Theorie muss falsifizierbar sein, wenn es eine echte Theorie sein will. Es muss möglich sein, sie zu widerlegen. Die Studenten könnten auch über die Gefahren orientiert werden, die einem Wissenschaftler drohen, wenn er eine Theorie für eine ewig gültige Wahrheit hält, und er eine zweifelhafte Theorie durch manipulierte Daten stützen will. Sie könnten lernen, wie eine flexible Religion ihre Doktrin anpasst, weil sich die sozialen Gegebenheiten veränderten, zum Beispiel Homosexuelle zum Predigtdienst zuzulassen...

Wenn wir dem Kreationismus gleich viel Zeit wie der Evolution geben würden, müssten die Klassen eine subtile Differenz sehen. Wissenschaft ist in erster Linie eine Methode, die Realität zu befragen: Eine Hypothese vorzuschlagen und sie dann zu testen, versuchen, sie zu widerlegen. Nur diejenigen, die sich bewähren, können zum Status der Theorie aufsteigen..."

Kommentar: Nik Walter von der Sonntagszeitung meinte: "Mit diesem Erlass verhöhnen die Fundamentalisten wissenschaftliche Fakten im höchsten Masse." Walter, und mit ihm eine ganze Reihe von Journalisten, können das nur schreiben, weil sie über die Schwächen der Evolutionstheorie schlecht informiert sind: Sie ist beispielsweise nicht imstande, experimentell vorzuführen, wie Leben aus unbelebter Materie entstanden sein soll. Sie ist nicht imstande, zu erklären, warum in den Fossilien die Übergangsformen zu den höheren Arten systematisch fehlen, z. B. der Übergang von den Fischen zu den Reptilien. Sie ist nicht imstande, vorzuführen, wie die ungeheure Menge von Informationen in die DNS hinein gekommen ist. Evolution widerspricht ausserdem dem Naturgesetz der Entropie, das einen allgemeinen Zerfall anstelle einer Höherentwicklung voraussagt. Evolution widerspricht dem Energieerhaltungssatz, der eine Entstehung von Materie oder Energie aus dem Nichts ausschliesst (also kann es keinen Urknall gegeben haben). Man könnte beliebig weiterfahren mit der Aufzählung von Unzulänglichkeiten der Evolutionstheorie.

Was bei der Diskussion auch auffällt, ist der Schlag, der gegen die christliche Fundis geführt wird. Man übersieht dabei, dass man ebenso untolerant ist, wie man es der Gegenseite vorwirft. Ich erinnere an den Dokumentarfilm "Hat die Bibel doch recht?" von Fritz Poppenberg, der nach einer ersten Ausstrahlung im Oktober 1998 über den Sender Freies Berlin vom Fernsehen für weitere Sendungen gesperrt wurde, nur weil zwei Wissenschaftler Einspruch erhoben hatten. Man blockiert damit andere Wissenschaftler, welche unbequeme Fragen stellen.

Hansruedi Stutz


Referenzen:

http://bbs.msnbc.com/bbs/msnbc-science/index.asp
http://jas1.usatoday.com/discus/messages/506/506.html
http://www.sjmercury.com/premium/opinion/columns/013048.htm
http://www.kcstar.com/item/pages/local.pat,local/30daf9fb.511,.html
http://www.ksbe.state.ks.us/outcomes/scidraft5.html
Sonntagszeitung vom 15. August 1999, Seite 19, Redaktor Nik Walter über christliche Fundis.

 

Übersetzung und Zusammenstellung: H. Stutz

 


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