Woher? Weshalb? Wohin?

Gian Luca Carigiet


Teil 2: Die Frage nach dem Weshalb

Das Konzept Gottes

Im ersten Teil haben wir uns mit der Frage nach dem "Woher" auseinandergesetzt. Wir haben dabei festgestellt, dass wir es bei der Frage Schöpfung oder Evolution mit zwei philosophisch gleichberechtigten Voraussetzungen zu tun haben, nämlich dem Schöpfungsgedanken und dem Evolutionsgedanken. Welchem dieser Gedanken man den Vorzug gibt, ist in erster Linie eine persönliche, zutiefst religiöse Frage. Im wissenschaftlichen Sinn lassen sich beide "Theorien" weder restlos beweisen noch widerlegen. Der Evolutionist, der wirklich die Tatsachen kennt, glaubt im tiefsten Wesen ausschließlich an eine Evolution, weil er die Alternative dazu ablehnt; das ist ein negativer Grund. Der Kreationist glaubt im tiefsten Wesen ausschließlich an die Schöpfung, weil er Gott in seinem Wort glaubt; das ist ein positiver Grund. Daraus ergibt sich, wie relativ die Frage nach den naturwissenschaftlichen "Beweisen" für die Evolution ist. Die meisten dieser "Beweise" haben nämlich nur für solche Beweiskraft, die bereits an die Evolution glauben. Es sind keine Beweise mathematischer Art. Wenn es darum geht zu beweisen, dass (wenigstens in einer euklidischen Welt) die Winkel eines Dreiecks zusammen immer 180° ergeben, ist dies eine Frage abgesprochener Axiome und Definitionen und dann weiterhin einfacher Logik. Die Grundlagen der evolutionistischen "Beweise" beruhen aber nicht auf logischen Denkgesetzen, sondern auf evolutionistischen Vorurteilen.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist gleichzeitig auch die Frage nach der Wahrheit; für jemanden der an die Schöpfung glaubt, liegt die absolute Wahrheit ausserhalb der erfahrbaren Wirklichkeit bei diesem Schöpfer-Gott; für jemanden der an die Evolution glaubt, kann es keine absolute Wahrheit geben, denn es ist niemand da, der diese absolute Wahrheit festlegen könnte. Bei der Beantwortung dieser Frage kann es auch nur eine Wahrheit geben; entweder existiert ein Schöpfer-Gott der alles was ist, erschaffen hat, oder dieser Schöpfer-Gott existiert nicht. So gesehen ist die Frage "Schöpfung oder Evolution" gleichzeitig die Frage nach der Existenz Gottes. Existiert Gott und ist dieser Gott der allmächtige, unendliche Gott wie er sich uns in der Bibel offenbart, dann war es dieser Gott, der die Schöpfung ins Dasein rief; existiert dieser Gott hingegen nicht, dann kann es auch keine Schöpfung geben und dann ist die Evolutions-Theorie die einzig mögliche Alternative dazu. Das gleiche gilt für die Sinnfrage. Sinnvoll (mit einem Zweck und einem Ziel) kann die Schöpfung nur sein, wenn ein Schöpfer existiert. Die Evolution kann hingegen niemals sinngebend sein, da die Evolutionsfaktoren Zufall und lange Zeiträume weder einen Zweck noch ein Ziel kennen. Deshalb kann die Frage nach dem "Weshalb" durch die Evolutionslehre nicht beantwortet werden. Bei der Schöpfunglehre liegt der Fall völlig anders, denn hier ist eine allumfassende Intelligenz am Werk, eine jegliches Vorstellungsvermögen übersteigende Persönlichkeit, die wir Gott nennen.

 

Das Wesen Gottes

Zuerst müssen wir vom "alten Mann mit Bart" Abschied nehmen. Diese Darstellung von Gott, wie ihn vor allem die italienischen Maler des Mittelalters gezeichnet haben, entspricht absolut nicht dem Bild, das die Heilige Schrift von Gott zeichnet. Gott lässt sich am besten umschreiben mit "allmächtig, allgegenwärtig, allwissend und unendlich". Bereits diese Definitionen übersteigen unser Vorstellungs-vermögen, da wir Menschen nur über eine sehr beschränkte Macht verfügen, wir sind nur an jenem Ort gegenwärtig, an dem wir uns zurzeit befinden, unser Wissen ist und bleibt beschränkt, und wie wir alle wissen, sind wir "nur" endliche Wesen. Wie sollen wir uns da ein Wesen vorstellen können, das über alle Macht verfügt, das allgegenwärtig ist, das alles weiß und das unendlich ist? Uns Menschen bereitet bereits der Gedanke an die Unendlichkeit ein flaues Gefühl im Magen, weil diese Vorstellung außerhalb unseres Vermögens liegt. Es ist auch unmöglich, sich eine Vorstellung darüber zu machen, wie und wo "außerhalb von Zeit und Raum" ist. Doch wenn Gott tatsächlich existiert, dann ist es unmöglich, dass er innerhalb der Schöpfung existiert; ein Bildhauer steht auch außerhalb seiner "Schöpfung"!

Die Schöpfung geschah im Weiteren nicht aus einer "Laune" Gottes heraus, sondern sie wurde minutiös bis ins kleinste Detail geplant. Und an diesem Punkt müssen wir uns von einer weiteren Vorstellung über Gott verabschieden: Gott hat unsere Wirklichkeit nicht geschaffen, ohne zu wissen, was mit seiner Schöpfung geschieht. Das Ende der Schöpfung war Gott von Anfang an bekannt. Es gibt für Gott keine Überraschungen, alles was in dieser Welt geschehen ist und weiterhin geschieht, war Gott von Anfang an bekannt. Und trotzdem ist er niemals von seinem Plan abgewichen. Bei der Geschichte von Adam und Eva wird dieser Umstand am besten deutlich, denn obwohl Gott wusste, dass das erste Menschenpaar der Versuchung nicht widerstehen würde, setzte er den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse in die Mitte des Gartens Eden. Es war für ihn keine Überraschung, als das erste Menschenpaar versagte, er wusste es ja von Anfang an. Weshalb ließ es Gott denn zu, wenn er es im Voraus wusste? Weshalb lässt Gott das große Leid in dieser Welt zu? Diese Frage lässt sich nur mit dem Konzept Gottes beantworten. Gott hat einen Plan mit der Menschheit, und dieser Plan ist zeitlich begrenzt und endet in der ewigen Gemeinschaft mit Gott oder in der ewigen Trennung von Gott. Weil der Plan von Grundlegung der Welt an feststeht und er sich wie ein roter Faden durch die ganze Menschheitsgeschichte zieht, mischt sich Gott vordergründig nicht in das Geschehen auf dieser Erde ein. Er hat die Erde unserer Verantwortung übergeben, und er verhält sich wie ein weiser Vorgesetzter, indem er die Verantwortung für die Erde an die Menschen delegiert.

Die Menschen und der von Gott abgefallene Engel Luzifer sind nicht von Gott gelenkte Marionetten, sondern in gewissen Grenzen freie Wesen, welche in Eigenverantwortung existieren und deshalb auch gegen den Willen Gottes handeln können. Demgegenüber stehen alle Religionen, in denen die Weltgesetze herrschen und somit auch das Schicksal. In diesen Religionen, die eine Reinkarnation vertreten oder Gott als zufälligen Schicksalslenker ansehen, gibt es keine Verantwortung, denn Schicksal schließt Verantwortung aus. Im biblischen Weltbild hingegen handelt der Mensch in eigener Verantwortung und wird nicht durch ein blindes Schicksal gelenkt. Verantwortung für unser Denken und Handeln ist deshalb eines der zentralen Themen der Bibel. Weil der Mensch Verantwortung tragen kann, ist er frei, und die Bibel geht insoweit von einem freien Menschen aus. In der Verbindung mit Gott erfährt der Mensch Freiheit von der Welt und damit auch von jeglicher Art von Schicksalsglauben. Gott hat uns in diesem Sinn als freie Wesen erschaffen, denn sonst wäre der Sündenfall nicht möglich gewesen, und das Gericht, welches in der Bibel einen relativ breiten Raum einnimmt, wäre unlogisch.

Gott hat sehr viel Zeit, und er kennt bereits das Ende unserer Zeit, bevor die Zeit begonnen hat! Bei diesen Gedanken ist es hilfreich, wenn wir zwischen der Zeit des Menschen und der Zeit Gottes unterscheiden. Die Zeit des Menschen ist "Chronos", die physikalisch messbare Zeit und damit die historisch ablaufende Zeit der Chronologie. Im Chronos wird die Zeit als die Summe der Momente einer linearen Bewegung in Raum und Zeit begriffen. Die Zeitachse ist eine lineare, eindimensionale Erscheinung mit einer definierten Anfangsmarke, und sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie ständig fortschreitend ist und nur in einer Richtung läuft. Irgendwo auf dieser Achse liegt unser gegenwärtiger Zeitpunkt, welchen wir Gegenwart nennen. Alles, was hinter diesem Zeitpunkt liegt, nennen wir Vergangenheit und das, was vor uns liegt, Zukunft. Genauso wie unsere Zeitachse einen markierten Anfangspunkt hat, so hat sie auch einen markierten Endpunkt, den wir zwar nicht kennen, den aber Gott vor Urzeiten bereits bestimmt hat. Die chronologische Zukunft ist also nicht unbegrenzt, sondern sie hat ein von Gott festgesetztes Maß. Unsere Zeit läuft weder im Kreis, noch wiederholt sie sich. Sie läuft vorwärts, sie ist einmalig, unwiederbringlich und streng bemessen zwischen Geburt und Tod. Die Zeit ist die große Einbahnstraße des Lebens.

Wesensmäßig völlig anders geartet und frei von allen uns bekannten und eingrenzenden Eigenschaften des Chronos ist der Kairos Gottes. Der Kairos Gottes ist die erfüllte Zeit, in der unsere einengenden Begriffe wie Vergangenheit und Zukunft keinen Platz haben. Gott ist Geist und ist als Herr der Schöpfung nicht durch die von ihm geschaffenen Phänomene wie Raum und Zeit eingegrenzt. Gott sieht und übersieht die gesamte Zeitachse mit einem einzigen Blick, darum bedeuten unterschiedliche Zeitabschnitte auf unserer Zeitachse für ihn keine erst zu durchlaufenden Bereiche. Gott erfasst 1000 Jahre mit demselben Blick wie irgendeinen herausgegriffenen Tag. Aus diesem Grund gilt bei Gott, was für uns unbegreiflich ist: "...dass beim Herrn ein Tag ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag" (2.Petrus 3,8). Damit ist auch klargestellt, dass es unmöglich ist, diese beiden Zeitbegriffe miteinander vergleichen zu können. Dieser Vers weist darauf hin, dass Gott dem Chronos nicht unterworfen ist. Die höhere Dimension des Kairos Gottes gegenüber dem Chronos wird uns immer dann deutlich, wenn Gott sich als der in Raum und Zeit souverän Handelnde bezeugt. So kann Gott von bereits abgeschlossenen Vorgängen sprechen, obwohl sie im Chronos noch Zukunft sind. Den Kairos Gottes können wir uns darum als "ewige Gleichzeitigkeit" vorstellen, bei der die gesetzmäßige Strenge des Nacheinander unseres chronologischen Ablaufs aufgehoben ist.

 

Der Sinn der Schöpfung

Die Frage nach dem Sinn der Schöpfung ist eine der schwierigsten Fragen der menschlichen Existenz, weil der Mensch die Gedanken Gottes nicht nachvollziehen kann. Wir Menschen sind Wesen, die bei allen ihren Unternehmungen zweckorientiert handeln. Deshalb steht am Anfang jedes menschlichen Konzeptes der Zweck. Welchen Zweck verfolgen wir mit einem Vorhaben oder einem Projekt? Welchen Zweck verfolgte nun Gott, als er den Entschluss fasste, das Universum, die Erde und uns Menschen ins Dasein zu rufen? Ist es die Gemeinschaft mit seinen Geschöpfen? Weshalb benötigt Gott, der Allmächtige, die Gemeinschaft mit so beschränkten und endlichen Wesen wie uns Menschen? Genügt Gott nicht sich selber, da Gott ja Leben in sich selber hat? Diese Fragen bringen mich auf den Gedanken, dass es ganz einfach Liebe sein muss. Gott ist für mich Liebe, unendliche Liebe, unvorstellbare Liebe. Gott liebt uns bedingungslos, und zwar alle Menschen unabhängig von der Herkunft und vom gesellschaft-lichen Stand. Gottes Liebe macht grundsätzlich keinen Unterschied zwischen Menschen, den Unterschied macht der Mensch selber, indem er die Liebe Gottes entweder erwidert oder ablehnt. Es ist unsere persönliche Entscheidung, auf das Liebes-Angebot von Gott einzugehen oder es abzulehnen. Es gibt nur diese zwei Wege! Dieses Liebes-Angebot Gottes steht am Anfang aller Dinge, und daraus kann folgendes "Gesetz der Liebe" abgeleitet werden:

  1. Gott liebt dich
  2. Weil Gott dich liebt, liebe auch du Gott wie er dich liebt.
  3. Erst dadurch wirst du fähig, dich selber und andere Menschen zu lieben.

Der Sinn der ganzen Schöpfung kann somit mit der unendlichen Liebe Gottes definiert werden. Gott besitzt eine unendliche Quelle der Liebe in sich selber, und diese Quelle möchte er uns Menschen schenken. Ohne das Werk der Schöpfung wäre die unendliche Liebe Gottes für nichts, sinnlos, zwecklos, ohne Erfüllung. Mit der Schöpfung hat Gott Wesen geschaffen, die in der Lage sind, Liebe zu empfangen und Liebe zu geben. Diese Liebesfähigkeit ist zwar im Verhältnis zur Liebe Gottes sehr bescheiden, aber sie ist wenigstens im Ansatz vorhanden. Dies ist der erste Grundsatz: Gott liebt dich! Wir Menschen stehen somit im Zentrum des Geschehens der Schöpfung. Alles, was ist, wurde letztendlich für uns geschaffen. Deshalb darf man nach wie vor mit gutem Gewissen behaupten, dass die Erde das Zentrum des Universums ist. Ob die Erde dabei örtlich genau im Zentrum des Universums liegt, ist ohne Belang, von Belang ist einzig, dass die Erde, und vor allem wir Menschen, im Zentrum des Interesses Gottes liegen und somit im Zentrum seines Zweckes. Nicht ganz zufällig deuten die "Finger Gottes" auf der Karte des Universums auf die Mitte zu, in der sich unser Sonnensystem befindet. Es ist eine unglaubliche Vorstellung, dass das ganze Universum einen einzigen Sinn hat: Es wurde für uns Menschen geschaffen damit wir die unendliche Größe, Macht und Liebe unseres Schöpfers erkennen und preisen können. Dies ist die wahre Erkenntnis, welche uns von der Wissenschaft und von aller menschlichen Weisheit nicht vermittelt werden kann.

Wir haben also die absolute Gewissheit, dass Gott uns liebt wie ein Vater oder eine Mutter die Kinder liebt. Das Liebes-Angebot steht seit Anbeginn der Schöpfung, und es liegt nun an uns, dieses Angebot anzunehmen oder dieses Angebot abzulehnen. Dies ist der zweite Grundsatz: Weil Gott dich liebt, liebe auch du Gott, wie er dich liebt! Weshalb fällt es vielen Menschen so schwer, auf dieses Liebes-Angebot einzugehen? Ist es die menschliche Hybris, die Überheblichkeit oder fehlende Demut und Bescheidenheit? Wie dem auch sei: Das Liebes-Angebot steht da, und wir können darauf eingehen. In diesem Zusammenhang steht auch die Frage der Pharisäer nach dem grössten Gebot. Jesus gab ihnen folgende Antwort: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand. Dies ist das grösste und erste Gebot" (Mt 22,37-39). Diese Aussage Jesu deckt sich mit unserem zweiten Grundsatz. Denn den ersten Grundsatz musste Jesus nicht erwähnen, da er als Beweis seiner unendlichen Liebe sein Leben für uns hingab.

Erst mit der Annahme des Liebes-Angebotes Gottes sind wir Menschen überhaupt in der Lage, andere Menschen zu lieben. Dabei geht es aber nicht darum, die eigene Familie, den Partner oder uns nahe stehende Menschen zu lieben, dazu sind mehr oder weniger alle Menschen befähigt, nein, es geht vor allem darum, unseren Nächsten zu lieben. Im Anschluss an das erste Gebot sagte Jesus: "Das zweite aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten" (Mt 22,40). Diese Aussage Jesu deckt sich mit unserem dritten Grundsatz: Erst dadurch wirst du fähig, dich selber und andere Menschen zu lieben. Letztendlich gründet sich alles auf der Liebe, und mit dieser Liebe haben wir Menschen denn auch unsere Mühe. Wichtig ist, dass wir erkennen, dass wir in erster Linie Gott lieben sollen. Wenn wir die Liebe zu Gott gefunden haben, sollen wir andere lieben wie uns selbst. Dabei geht es aber nicht um die narzistische Eigenliebe, sondern vielmehr darum, sich selber anzunehmen. Wie viele seelische Probleme beruhen darauf, dass die Menschen sich selber nicht für liebenswert erachten und sich deshalb selber nicht annehmen! Dies ist aber die Bedingung dafür, dass wir fähig werden, andere Menschen zu lieben. Wenn ich mich selber hasse, wie soll ich da andere Menschen lieben können, von wo soll ich die Kraft dazu auch nehmen? Kinder Gottes werden wir, indem wir die Liebe Gottes, die er in Jesus Christus offenbart hat, erwidern, indem wir mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Verstand "ja" sagen zu Gott. Es gibt keine anderen Bedingungen oder Voraussetzungen um zu Gott zu gelangen.

 

Das Ziel der Schöpfung

Aufgrund des Zeitbegriffes Gottes, dem Kairos, ergibt sich die Vorstellung, dass Gott die gesamte Menschheitsgeschichte von Anfang an vor sich gesehen hat. Gott wusste von Anbeginn der Welt, dass das erste Menschenpaar im Paradies der Versuchung nicht widerstehen konnte, und dass Gott daraufhin die Erde verfluchen musste. Auch sah er voraus, dass die vorsintflutliche Welt von ihm durch die Sintflut zerstört werden musste. Er wusste von Anbeginn an, dass er in der Person von Jesus Christus Mensch werden, und dass sein Volk ihn ablehnen würde. Letztendlich war sein Ziel von Anbeginn an die neue Schöpfung, die nach der Auflösung der "alten" Schöpfung von ihm geschaffen wird. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Gott, trotzdem er alles weiss und allgegenwärtig ist, uns Menschen als souveräne und eigenverantwortliche Wesen geschaffen hat. Deshalb haben die Menschen auch die Möglichkeit, sich gegen ihn zu entscheiden. Wir Menschen wissen nicht im vornherein, wie wir uns entscheiden werden. Für uns ist dieses Leben gegeben, damit wir die Möglichkeit erhalten, diese Entscheidung für Gott zu fällen und auch um bei dieser Entscheidung zu bleiben.

Wie wir gesehen haben, wird der Zeitbegriff Chronos umschrieben als eine lineare Bewegung in Raum und Zeit, die einen definierten Anfang und ein Ende hat. Unsere Zeit ist somit keine endlose lineare Bewegung in Raum und Zeit, sondern eine endliche. Die Spanne dieser Zeit wurde von Gott "im Anfang" bestimmt und diese Spanne dauert vielleicht 7000 Jahre. Anschließend an diese Zeitspanne vergeht die erste Schöpfung. Mit der Zerstörung der ersten Schöpfung wird nicht nur die Materie zerstört, sondern auch der Raum und die Zeit. Die zweite und "ewige" Schöpfung, die in alle Ewigkeit besteht, ist nicht mehr den Gesetzen von Materie, Raum und Zeit unterworfen, sondern sie ist Kairos, eine ewige Gleichzeitigkeit oder eine ewige Zeitlosigkeit. Gott, der ewig Unveränderliche, steht außerhalb von Raum und Zeit; wo und wie, das entzieht sich unserer Kenntnis und unserer Vorstellungskraft, aber es hat eine gewisse Logik. Wenn Gott wirklich Gott ist und dieser Gott die Materie, den Raum und die Zeit geschaffen hat, dann muss dieser Gott außerhalb seiner Schöpfung existieren, er kann nicht ein Teil seiner Schöpfung sein! Dies gilt grundsätzlich auch für seine zweite und ewige Schöpfung; doch im Unterschied zur ersten Schöpfung wird Gott in der zweiten Schöpfung persönlich anwesend sein. Also, wenn Gott in seiner Schöpfung anwesend sein wird, muss diese Schöpfung grundsätzlich anders beschaffen sein als die erste Schöpfung, in der er so nicht anwesend war und ist. Die einzige Information über die neue Schöpfung erhalten wir aus Offenbarung 21 und 22. Der Apostel Johannes ist der einzige Mensch, dem ein Blick in die zweite Schöpfung gewährt wurde. Die prophetische Schau aller anderen Propheten endet im Millenium, wo aber weiterhin die uns bekannten Gesetze von Materie, Raum und Zeit herrschen. In der zweiten Schöpfung hingegen sind diese Gesetze aufgehoben und zwar ausnahmslos alle!

 

Der Weg zu Gott

In einer kalten, finsteren Nacht, in den zerfurchten Bergen von Bethlehem, überschnitten sich die beiden Welten, die wir Himmel und Hölle nennen, in einem dramatischen Ereignis. Gott, der kein Vorher und Nachher kennt, trat in Zeit und Raum ein! Gott, der keine Grenzen kennt, wurde Mensch und nahm damit die bedrohlichen Einschränkungen der Sterblichkeit auf sich. Kann sie wahr sein, die Geschichte des allmächtigen Gottes, der in Jesus Christus Mensch wurde? Weil dieses dramatische Ereignis für uns so unvorstellbar ist, sehen viele Menschen Jesus "nur" als Menschen oder als Propheten. Jesus ist zwar auch Mensch und auch Prophet, aber, und das ist das Entscheidende, Jesus ist unendlich mehr: "Im Anfang war das Wort, das Wort schuf, das Wort wurde Fleisch". Wir müssen lernen, Jesus als den zu sehen, der er ist, nämlich nicht nur Mensch und Prophet, sondern G o t t ! Das Wort wurde Fleisch. Gott ist Mensch geworden und in die Welt gekommen, um mit der Menschheit einen neuen Bund zu schließen. Mit seinem Opfer am Kreuz nahm er die Sünde und die Schuld ein für allemal von uns, und wenn wir zum Kreuz aufschauen, zu unserem Herrn, unserem Retter, unserem Gott, erfahren wir Erlösung von all unserer Schuld. Denn es ist nicht möglich, unsere Schuld durch eigene Werke wieder gutzumachen, wir können auf den Knien nach Rom kriechen, es wird uns damit kein Jota an unserer Schuld vergeben. Die Vergebung unserer Schuld ist reine Gnade, und die Schuld ist bereits durch den Opfertod Christi bezahlt.

Wie wir vor allem aus der Bergpredigt ersehen, verkündete uns Jesus Christus eine zweiteilige Botschaft: Auf der einen Seite die absoluten Ideale Gottes, die Jesus nie auch nur um einen einzigen Millimeter zurück nahm, und auf der anderen Seite die genauso absolute Gnade. Die Gnade gilt den Verzweifelten, den Bedürftigen, den Zerbrochenen, denen, die es nicht allein schaffen. Die Gnade gilt uns allen. Jesus hielt die Bergpredigt nicht, damit wir an unserer Unzulänglichkeit verzweifeln, sondern er wollte uns damit Gottes Ideale vermitteln, nach denen wir unermüdlich streben sollen - und uns gleichzeitig zeigen, dass niemand sie jemals erreichen wird! Die Bergpredigt zeigt uns denn auch die große Kluft zwischen Gott und uns, und jeder Versuch, diese Distanz zu überbrücken, indem wir diese Forderungen abschwächen, verfehlt das Ziel. Die schlimmste Tragödie wäre es denn auch, wenn wir versuchen würden, die Bergpredigt in eine neue Form der Gesetzlichkeit zu verwandeln. Sie will nicht eine neue Gesetzlichkeit aufstellen, sondern sie will vielmehr jeglicher Gesetzlichkeit ein Ende machen, denn die Gesetzlichkeit der Pharisäer war immer schon zum Scheitern verurteilt, aber nicht, weil sie zu streng war, sondern weil sie nicht streng genug war. Die Bergpredigt zeigt uns denn auch ungeschminkt und brutal, dass wir vor Gott alle auf der gleichen Stufe stehen: Mörder und Jähzornige, Ehebrecher und Lüstlinge, Diebe und Neider. Für einen Menschen, der Gott kennen lernen möchte, ist die Verzweiflung der einzig angemessene Zustand, denn nachdem er aus dem absoluten Ideal herausgefallen ist, kann ihn nur noch eins auffangen: Das Netz der absoluten Gnade Gottes!

Gian Luca Carigiet, entnommen aus dem Manuskript "Von Ewigkeit zu Ewigkeit, Die Suche nach dem Sinn des Lebens", erscheint im Oktober 2001.


Download: Weshalb.pdf Der Autor

 

 


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